Lok Eutin-Lübeck Nr. 5 (T5.2) und die Nebenbahnwagen Eutin-Lübeck Nr. 95 und 97
Alle Bilder dieses Artikels stammen vom Autor H.-H. Kloth selbst, die Großaufnahmen der Lokomotive entstanden auf dem Modul "Bahnübergang".
Die Lokomotive
Für die Berliner Vorortstrecken Wannseebahn (Berlin Wannseebahnhof – Wannsee – Potsdam) und Potsdamer Stammbahn (Berlin Potsdamer Bahnhof - Potsdam – Werder) entwickelte die Firma Henschel eine 2’B n2 - Personenzugtenderlokomotive mit einer Fahrgeschwindigkeit von 75 km/h (T 5.2 nach Musterblatt III 4 n, spätere DRG - Baureihe 72.0), die nach ihrer Einsatzstrecke „Wannsee-Typ“ bezeichnet wurde. Die Achsfolge 2 B war in Preußen zu dieser Zeit bei Schnell- und Personenzuglokomotiven dominierend. In den Jahren 1899 und 1900 bauten die Firmen Grafenstaden 6 Stück und Henschel 30 Stück für die Eisenbahndirektion Berlin.
Gut zehn Jahre später, am 23. Dezember 1910 beantragte die Direktion der Eutin-Lübecker Eisenbahn (ELE) beim Lübeckischen Eisenbahn-Kommissariat die Genehmigung zur Beschaffung von zwei T 5.2 mit einer Fahrgeschwindigkeit von 80 km/h. Am 7. Juni 1911 wurde ELE Nr. 5 (Henschel 10 446) und am 28. Februar 1912 ELE Nr. 6 (Henschel 10 958) in Betrieb genommen. Da die Strecke Eutin – Lübeck jedoch nur einen Raddruck von 7,6 t zuließ, wurden gegenüber der preußischen Ausführung der T 5.2 mit 8 t Raddruck einige Änderungen vorgenommen: Verringerung des Wasservorrates von 7 auf 5 cbm, Beschränkung der Kohlenmenge und Änderung des Führerhauses (Lüfterklappen statt Oberlichtaufsatz). Bei beiden Lokomotiven wurde um 1914 der Kohlenkasten durch Schrägstellung der Rückwand vergrößert, sodass der Kohlenvorrat auf 2 t gesteigert werden konnte. 1924 baute Henschel Nr. 5 und 1930 Nr. 6 auf Heißdampf um, wobei nur Nr. 5 einen Oberflächen - Speisevorwärmer erhielt.
Über ein Jahrzehnt waren die beiden T 5.2 die „Stars“ der Zugförderung bei der ELE. Aufgrund des großen Kuppelraddurchmessers von 1600 mm besaßen diese Maschinen ein gutes Beschleunigungsvermögen, weshalb sie auch vom Lokpersonal als „Renner“ bezeichnet wurden. Ab 1924 beschaffte die ELE vier 3/5-gekuppelte Personenzugtenderlokomotiven (Pt 35.16, 1’C1’ h2t), sodass mit der letzten Lieferung im Jahre 1929 die Blütezeit der T 5.2 bei der ELE vorbei war. Nun liefen beide Maschinen vor leichten Personen- und Arbeitszügen. Als 1934 der Triebwagen 1001 verspätet von Wismar geliefert wurde, übernahmen sie mit zwei Abteilwagen seinen Plandienst und liefen auch später Ersatz, wenn dieser ausfiel. Ab 1938 taten auch beide Maschinen Dienst auf der Nebenbahn. Mit der Verstaatlichung der Eutin-Lübecker Eisenbahn im Jahre 1941 wurden Nr. 5 als 72 001 (II) und Nr. 6 als 72 002 (II) von der Deutschen Reichsbahn übernommen. Im Zuge der Typenbereinigung kamen beide Maschinen 1943 zu Privatfirmen. Die ehemalige Nr. 5 gelangte zur Firma Rheinmetall Borsig AG in Berlin-Marienfelde und befand sich bei Kriegsende im Bw Anhalter Bahnhof. Sie wurde 1947 von Borsig aufgearbeitet und verrichtete noch anschließend Dienst bei der Deutschen Reichsbahn (Ost). Im Januar 1952 kam sie zum Bw Berlin Lichtenberg, wo sie im März 1953 als Schadlok abgestellt und im Juli 1955 zerlegt wurde.
Ausführliche Informationen über das Vorbild und Modell:
Hans-Harald Kloth: Die preußische T 5.2 bei der Eutin-Lübecker Eisenbahn. In Eisenbahn Journal Heft 9/1992, S.18 – 23
Dr. Lutz von Bonin und Hans-Harald Kloth: Preußische T 5.2 als Staatsbahn- und Privatbahn-Lokomotive. In Spur 0 Lokomotive Heft 4/2013, S. 6 – 13.
Die Nebenbahnwagen
1918 beschaffte die ELE bei der Waggonfabrik Görlitz drei sehr lange dreiachsige Durchgangs-Nebenbahnwagen mit Oberlichtern (Wagen 95 bis 97). Die Wagen ähnelten zwar preußischen Vorbildern, wichen von diesen in der Länge über Puffer (14,750 m), dem Achsstand (9 m), der Sitzeinteilung, der Gestaltung der Endbühnen und der Anzahl der Toiletten ab, weil sie den Bedürfnissen der ca. acht Kilometer langen Nebenbahn Ahrensbök – Bhf. Gleschendorf (Bezeichnung ab 1934 Pönitz) angepasst wurden. Alle drei Wagen wurden um 1936 auf elektrische Beleuchtung umgerüstet.
Der Wagen 95 war ein kombinierter Post-Packwagen mit einem Abteil 4. Klasse mit Lattenbänken und 18 Sitz- und 20 Stehplätzen (DPwPost3i). Die Bühne zur 4. Klasse war offen (Tür mittig), die zum Postabteil geschlossen. Der Wagen besaß keine Toilette. Nach Abschaffung der 4. Wagenklasse im Jahre 1928 wurde das Abteil nicht in ein Traglastenabteil umgewidmet, sondern erhielt in den dreißiger Jahren Sitzbänke für 24 Plätze dritter Klasse. Gleichzeitig wurde in das Gepäckabteil ein Zugführersitz eingebaut.
Die Wagen 96 und 97 besaßen die 2. und 3. Wagenklasse (BC3i) und jeweils eine Toilette, die sich in der 3. Klasse befand. Die zweite Wagenklasse umfasste 2 Abteile mit jeweils 8 Sitzplätzen und einen Mittelgang, daher war die Bühne zur 2. Wagenklasse geschlossen. Die 3. Wagenklasse besaß 2 Abteile mit 20 bzw. 21 Sitzplätzen. Die Bühne zur 3. Klasse war offen.
In Zusammenarbeit mit Paul Petau, der die Bleche ätzte, Kleinteile lieferte und die Fahrzeuge lackierte, baute der Verfasser mit Unterstützung von Herrn Seide die Modelle der Wagen 95 und 97 zwischen 1998 und 2000.